BAUTECHNIK
Einsatz von Verschattungssystemen
Text: Von Dipl.-Ing. Arch. I. Kaiser | Foto (Header): © Ingrid Kaiser
Aufgaben und Effekte von Verschattungssystemen sind vielfältig: Zum einen verhindern sie die Erwärmung von Räumen bei hohen Außentemperaturen, zum anderen müssen sie die Anforderungen an den Blendschutz und gleichzeitig an die Sichtverbindung zur Außenwelt erfüllen. Bei fehlerhafter Anforderung reduzieren sie die Nutzung der Sonnenenergie in kühleren Jahreszeiten, sodass die mangelnde Erwärmung der Fassadenoberflächen zu Bauschäden führen kann.
Auszug aus:
Der Bauleiter
Ausgabe Juli 2022
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Begriffe
Im Zusammenhang mit der großen Anzahl von Systemen werden viele Begriffe übergreifend bzw. parallel zueinander verwendet. Bei Gebäuden werden außen und innen liegende Systeme als Abschlüsse bezeichnet.
Der Sichtschutz vermeidet Einblick von außen in die Räume; ein klassisches Beispiel sind Gardinen und Vorhänge im Wohnbereich.
Insbesondere bei Bürogebäuden stellt auch der Blendschutz einen wesentlichen Aspekt dar. Nach DIN EN 17037 wird die Blendungswahrscheinlichkeit aus senkrechter Beleuchtungsstärke, Helligkeit, Position und Größe der Blendquelle definiert. Diese Daylight Glare Probability (DGP) dient der Bewertung von Blendschutzsystemen; die DIN EN 17037 beschreibt zudem die Durchführung entsprechender Überprüfung der Werte an Ort und Stelle. Die Einstufung des Blendschutzes wird anhand des DGP-Werts für nicht mehr als 5 % des jeweiligen Raums wie folgt vorgenommen:
■ geringer Blendschutz – DGP ≥ 0,45
■ mittlerer Blendschutz – DGP >0,35, <0,45
■ hoher Blendschutz – DGP ≤ 0,35
Dabei müssen die Sonnenscheinzone für Deutschland gemäß Tabelle E.9 der DIN EN 17037, die Fassadenausrichtung, der Lichttransmissionsgrad der Verglasung und die Fenstergröße prozentual zur Fassadenfläche berücksichtigt werden.
Die ASR A3.4 nennt ähnliche Maßnahmen zum Blendschutz wie die ASR A3.5: Jalousien, Rollos, Lamellenstores etc.
Sowohl der große Wärmeeintrag in das Gebäude bei starker Sonnenbestrahlung als auch die Wärmestrahlung an einzelnen Stellen der Räume werden von den Nutzern als negativ empfunden.
Die ASR A3.5 nennt folgende Beispiele für den erforderlichen Sonnenschutz:
■ Vordächer, Balkone
■ feststehende Lamellen
■ außen angeordnete Jalousien, hinterlüftete Markisen
■ in der Verglasung angeordnete reflektierende Vorrichtungen
■ innen angeordnete Sonnenschutzvorrichtungen (hochreflektierend, hell)
■ Sonnenschutzverglasung (gleichzeitig Blendschutz)
Ausgangspunkt ist hierbei eine Grenztemperatur von 26 °C, ab der diese oder vergleichbare Maßnahmen gefordert werden. Steigen die Innenraumtemperaturen über 30 °C, sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich, hinsichtlich des Sonnenschutzes z. B. die Steuerung der Sonnenschutzeinrichtungen, sodass gewährleistet ist, dass diese auch außerhalb der Arbeitszeit geschlossen werden.
Durch die Beschränkung des Wärmeeintrags in das Gebäude entsteht gleichzeitig der Nebeneffekt, dass bei Gebäuden mit (Teil-)Klimaanlagen der Kühlbedarf im Sommer reduziert und damit der Energiebedarf verringert wird. Ein weiterer Aspekt des Sonnenschutzes ist der Schutz vor UV-Strahlung.
Im Umkehrschluss zum sommerlichen Wärmeschutz, also der übermäßigen Aufheizung von Außenflächen und damit Innenräumen, bewirken Verschattungen in den Übergangszeiten und im Winter eine Reduzierung der solaren Wärmegewinne und damit eine Erhöhung des Energiebedarfs.
Abhängig von Materialien und Einstellbarkeit der Systeme können sie auch zur Verdunkelung dienen. Der Bedarf hierzu ist nutzungsbedingt, also da erforderlich, wo Tageslicht der jeweiligen Nutzung entgegensteht.
Systeme
Da Verschattungssysteme immer Bestandteil der Fassade sind, gibt es eine große Anzahl von gestalterischen Varianten, die sich durch Materialien und Farben auf die äußere Erscheinung des Gebäudes auswirken und in ihrer Wirksamkeit für die einzelnen Aspekte der Verschattung sehr unterschiedlich sind. Es werden folgende Arten unterschieden:
■ nach der Lage in der Fassade
– in der Fassade
– außen liegend
– innen liegend (raumseitig)
■ nach der Führung
– schienengeführt
– seilgeführt
– Wellen-Aufwicklung
■ nach dem Material
– Metall
– Holz
– Kunststoff(-Gewebe)
– Textilien
■ nach den Lamellen/Bespannungen
– starr
– individuell einstellbar
■ nach der Bedienung
– per Hand
– automatisch (elektrisch, Steuerung)
Generell können nur außen liegende Konstruktionen den Sonnen- und damit sommerlichen Wärmeschutz gewährleisten.
Baukonstruktive Maßnahmen
Die örtliche Ausrichtung zur Himmelsrichtung, Vor- bzw. Rücksprünge in der Fassade sowie Vordächer, Balkone, tiefe Fensterlaibungen und in die Fassadengestaltung integrierte Elemente (Blenden u. ä.) gehören wie Sonnenschutzgläser zum primären Sonnenschutz, die gleichzeitig dem sommerlichen Wärmeschutz dienen.
Feststehende äußere Sonnenschutzelemente sind in die Fassadengestaltung integriert und wirken durch verschattende Auskragung. Waagerechte Elemente sind eher für südliche Gegenden mit hohem Sonnenstand geeignet, senkrechte bei entsprechender Ausrichtung, z. B. nach Westen oder Osten. Ihr Nachteil liegt darin, dass sie nur für bestimmte Sonnenstände – jährlich und täglich – wirken und somit nicht auf die individuelle Besonnung eingestellt werden können.
Fassaden- und Dachbegrünung dienen ebenfalls der Verschattung und reduzieren somit den Kühlbedarf von Gebäuden. Die entstehende Verdunstungskälte in Verbindung mit der Reflexion durch die Fassadenoberfläche kann bis zu 80 % der Sonneneinstrahlung reduzieren. Hierbei sind jedoch die bauphysikalischen Einflüsse besonders zu beachten, um Bauschäden zu vermeiden.
Außen liegende Systeme/Abschlüsse
Der sekundäre Sonnenschutz beinhaltet alle außen angebrachten Einbauten, wie Raffstores, Markisen etc., und die Verschattung durch Gebäude, Topografie und Vegetation. Diese tragen ebenfalls zum Wärmeschutz bei.
Bei außen liegendem Sonnenschutz werden variable Systeme wie Raffstores, Lamellen etc. am häufigsten eingesetzt. Sie können individuell je nach Lichteinfall eingestellt oder über Wind- und Sonnenwächter betätigt werden. Flächige Elemente sind seit jeher Fensterläden, die inzwischen aus unterschiedlichsten Materialien erhältlich sind. Markisen, Segel u. ä. werden eher im Wohnungsbau eingesetzt und sind auch aus sehr leichten, teilweise transparenten Kunststofffolien erhältlich. Alle diese Elemente können zusätzlich unter gestalterischen Aspekten ausgewählt werden und haben den Nachteil, dass sie ständig der Witterung ausgesetzt sind.
Raffstores:
Auch wenn einige Hersteller innen liegende Jalousien als Raffstores bezeichnen, gilt die Bezeichnung generell nur für außen liegende. Sie bestehen aus unterschiedlich geformten Lamellen mit einer Breite von 5 bis 10 cm, in der Regel aus Aluminium, Stahlseilen oder seitlichen Schienen zur Führung und Kurbel-, Seilzug- oder Motorbetätigung.
Aufsatz-Raffstores, die oberhalb des Fensters im Sturzbereich angeordnet sind, kommen beim Neubau und bei umfangreichen Umbauarbeiten mit Fensteraustausch zum Einsatz. Im Bestand werden Vorbau-Raffstores von außen auf die Fassade gesetzt, entweder aus auf die Stores abgestimmten Materialien und Farben oder mit einer Putzträgerplatte zur optischen Integration in die Fassade.
Zusätzlich zum Hoch- und Hinunterfahren ermöglicht die Verstellbarkeit der Lamellen eine Lichtlenkung im Raum zum Sicht- und Blendschutz bei gleichzeitigem Blickkontakt nach außen bis hin zur nahezu vollständigen Verdunkelung des Raumes. Die Systeme können zusätzlich mit Not-Raffsystemen im Bereich von Flucht- und Rettungswegen ausgestattet werden, d. h., im Brand-/Katastrophen-Fall können die Raffstores durch manuelle Bedienung oder über Steuerung der Brandmeldetechnik nach oben gefahren werden.
Hinweis
Sind aufgrund der Nutzung Anforderungen an die Barrierefreiheit gestellt, müssen alle Bedienelemente in einer Höhe angebracht werden, die von einem Rollstuhl aus erreicht werden kann. Als Einbruchschutz kommen Systeme mit Hochstoßsicherung und zusätzlichen Maßnahmen gegen die Zerstörung der Lamellen zum Einsatz.
Rollläden:
Während Raffstores vorwiegend im gewerblichen Bereich (Bürogebäude etc.) eingesetzt werden, sind Rollläden vorwiegend im Wohnungsbau üblich. Wie bei den Raffstores ist eine Aufsatz- bzw. Einbau- oder Vorbaukonstruktion möglich. Die Rollladenpanzer sind aus Holz – hier sind entsprechender Holzschutz und regelmäßige Instandhaltung wie bei Holzfenstern erforderlich – bzw. aus Kunststoff, Aluminium, verzinktem Stahl oder Edelstahl.
Die Bedienung erfolgt klassisch über Gurtzug, der den entsprechenden Gurtwicklerkasten erforderlich macht, entweder manuell oder elektrisch. Ähnlich wie bei den Raffstores ist auch eine Bedienung mit Kurbeln möglich.
Markisen:
Hauptsächlich im Wohnungsbau, aber auch im gewerblichen Bereich, z. B. der Gastronomie, werden Markisen als Verschattungselemente eingesetzt. Der Markisenstoff aus kunststoffmodifizierten Textilien, die bis zu einem bestimmten Grad wasserundurchlässig sind, wird meistens – mechanisch oder elektrisch – auf einer Welle aufgerollt, in manchen Fällen auch gefaltet.
Korbmarkisen in abgerundeter Form sind häufig feststehend, es gibt auch bewegliche Systeme, bei denen die einzelnen Segmente per Seilzug eingeklappt werden können.
Eine weitere Sonderform sind Markisoletten, die im oberen Bereich senkrecht nach unten fahren und dann der untere Bereich in einem definierten Winkel nach außen gestellt wird. Hierdurch bleibt der Blickkontakt nach außen bestehen, und die Windlasten greifen nur den aufgestellten Bereich an.
Bei allen Markisenkonstruktionen muss die Befestigung exakt und auf tragfähiger Unterkonstruktion erfolgen, um die entstehenden Kräfte aus Eigengewicht (Auskragung) und Wind aufnehmen zu können.
Fensterläden:
Diese Verschattungs- bzw. Verdunkelungskonstruktion ist vermutlich eine der ältesten. Die klassischen Holz-Klappläden dienen gleichzeitig dem Witterungsschutz. Abgeleitet aus dieser alt hergebrachten Form sind Faltschiebe- und Schiebeläden. Letztere werden in oben und unten verlaufenden Schienen waagerecht bis neben die Fenster-/Türöffnungen bewegt. Die Faltschiebeläden sind durch Scharniere geteilt und benötigen so beim Öffnen nicht die gesamte Ladenbreite.
Bei entsprechender Befestigung und Verriegelungskonstruktion von innen dienen die Läden auch dem Einbruchschutz.
Innen liegende Systeme
Alle innen liegenden Maßnahmen wie Jalousien zählen zum tertiären Sonnenschutz, der ausschließlich die Blendwirkung durch individuelle Verstellbarkeit gewährleistet bzw. die Wirkung der Primär- und Sekundärmaßnahmen unterstützt.
Innen liegende Blendschutzsysteme bestehen in der Regel aus textilen Materialien oder Folien, die entweder transluzent (Licht durchlassend) oder transparent sind. Als Formen finden sich Rollos, Lamellen, Falt- und Raffstores etc., bei größeren Glasflächen auch über Seilsysteme per Motor gesteuert. Ihr Nachteil besteht darin, dass die Wärme durch Sonnenstrahlung bereits in den Raum gelangt ist, sodass sie hauptsächlich als Blendschutz dienen. Der Erwärmungseffekt kann z. B. durch Aluminiumbeschichtung oder -bedampfung (Textilien) minimiert werden.
Jalousien:
Als Pendant zu den außen liegenden Raffstores bestehen die innen liegenden Jalousien ebenfalls aus verstellbaren Lamellen aus Kunststoff oder Metall. Sie werden per Seilzug hoch- und hinuntergefahren, die Lamellenverstellung erfolgt über Stabbetätigung oder ebenfalls über Seilzug.
Alternativ können die Lamellen auch senkrecht angeordnet werden. Die Bedienung erfolgt analog zu der der Jalousien, manuell oder elektrisch. Vertikallamellen können mit dem Sonnenstand im Tagesverlauf verstellt werden und gewährleisten so den Tageslichteinfall sowie den Blickkontakt nach außen. Je nach Material können sie auch bedingt der Verdunkelung dienen.
Verglasungen
Bei Sonnenschutz-Verglasungen ist die Innenseite der – mindestens – äußeren Scheibe mit einer Beschichtung versehen, die die Infrarotstrahlung reflektiert bzw. absorbiert. Hierbei soll gleichzeitig möglichst viel Lichtdurchlass gewährleistet, die Farbwirkung nicht verändert und der Gesamtenergie-Durchlass reduziert werden. Die Selektivitätskennzahl S gilt als Messwert, wobei Werte > 1 für S als günstig eingestuft werden. Hochwertige Beschichtungen erreichen Werte von > 2.
S = τv / g
mit τv – Lichtdurchlässigkeit,
g – Gesamtenergie-Durchlassgrad
Neben Folien/Beschichtungen können auch Lamellen, Gittergeflechte u. ä. zwischen den Scheiben angeordnet werden. Diese haben den Vorteil, dass sie weder Witterungseinflüssen noch Verunreinigungen ausgesetzt und damit diesbezüglich wartungsärmer sind.
Darüber hinaus gibt es eine große Anzahl individuell entworfener Konstruktionen, die auf die äußere Fassadengestaltung abgestimmt sind. Hierzu gehören auch Doppelfassaden, die den Sonnenschutz integrieren.
Bedienungselemente
Neben der manuellen Bedienung ist die elektrische Betätigung über Schalter je Verschattungselement, über Stromanschluss oder per Akku die einfachste. Hier können auch Zeitschaltuhren oder Funksteuerungen zum Einsatz kommen.
Mit steigender Tendenz zu „Smart Houses“ kommt auch hier die BUS-Technologie immer häufiger zum Einsatz. Über Messwertgeber, die Sonneneinstrahlung, Windgeschwindigkeit, Temperatur etc. messen, werden die Werte an Aktoren und damit an die Steuerung weitergegeben, sodass in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation die entsprechenden Stellungen der Verschattungssysteme gesteuert werden. Hierdurch wird zum einen die jeweils erforderliche Verschattungssituation hergestellt, zum anderen Schäden durch Wind bzw. Sturm oder das Einfrieren bei Feuchte und Frost vermieden.
Ergänzt werden können die Funktionen durch den Anschluss an das Gefahrenmeldesystem des Gebäudes. Gleichzeitig können die Steuerungen auch über Photovoltaikanlagen gespeist werden.
Koordination mit anderen Gewerken
Hinweis
Bei Änderungen im Bauablauf – insbesondere Änderungswünschen des Auftraggebers, müssen alle betroffenen Gewerke informiert und die Auswirkungen auf die jeweiligen Arbeiten berücksichtigt werden. Gegebenenfalls ändert sich damit der Bauablauf und damit der Terminplan.
Beim Einbau von Verschattungssystemen müssen Planer und Bauüberwacher besonders eng zusammenarbeiten, da hier eine Vielzahl von Schnittstellen besteht:
■ Tragwerksplanung – Auftreten von Lasten nach der Einbau- und Konstruktionssituation und den Befestigungsmöglichkeiten
■ bauphysikalische Planung – Einflussnahme der Verschattung auf die solaren Wärmegewinne
■ terminliche Abstimmung der Gewerke Elektroinstallation, Gebäudeleittechnik, Innenausbau …
Hinweis
Ist die VOB als Vertragsbestandteil vereinbart, gelten für elektrisch betriebene Anlagen unterschiedliche Verjährungsfristen der Gewährleistung: Für die Anlage an sich vier Jahre, für elektrische oder elektrotechnische Antriebe zwei Jahre. Diese zweijährige Verjährungsfrist kann auf vier Jahre verlängert werden, wenn dem ausführenden Unternehmen für diesen Zeitraum die Wartung übertragen wird (§ 13 [4] 2. VOB/B).
Der Autor
Dipl.-Ing. Arch. I. Kaiser