SICHERHEIT, GESUNDHEIT & UMWELT
Bauwerksmonitoring: Sicherheit wird messbar
Text: M. Behaneck | Foto (Header): © Kadmy – stock.adobe.com
Neben der kontinuierlichen Überwachung von Infrastrukturbauwerken wird das temporäre Monitoring von Baustellen und deren Umfeld immer wichtiger. Doch welche Anforderungen werden überhaupt an das Equipment und das Personal gestellt?
Auszug aus:
Der Bauleiter
Ausgabe März 2019
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Während sich im Maschinen- oder Anlagenbau das Monitoring schon seit vielen Jahren etabliert hat, fokussiert sich im Bauwesen diese wirtschaftliche Form der Überwachung und Früherkennung von Schäden vorwiegend auf Infrastrukturbauwerke. Hier macht das zunehmende Alter eine kontinuierliche messtechnische Überwachung und ingenieurmäßige Bewertung der Tragstrukturen notwendig, um Schäden frühzeitig erkennen und eventuelle Reparaturmaßnahmen rechtzeitig durchführen zu können.
Die Überwachung des baulichen Zustands von Bauwerken im Rahmen routinemäßiger Kontrollen oder aus besonderem Anlass dient nicht nur der Sicherheit, sondern auch deren Erhaltung, Schadensprävention und Lebensdauervorhersage sowie der Eingrenzung des konkreten Reparaturbedarfs und der Minimierung von Unterhaltungs- und Sanierungskosten.
Ein weiterer Einsatzbereich ist die Überwachung während einer Baumaßnahme. Dabei wird die Setzung bzw. die Bewegung umliegender Bauwerke fortlaufend erfasst, um bei Problemen rechtzeitig eingreifen zu können.
Vor dem Monitoring steht die Analyse
Unter dem Begriff Bauwerksmonitoring werden die kontinuierliche Erfassung von Messwerten an neuen oder historischen Bauwerken und deren automatische Überwachung über einen längeren Zeitraum verstanden. Geprüft und überwacht werden Bauwerke sowohl in regelmäßigem Turnus als auch während oder nach besonderen Ereignissen, etwa nach Umweltkatastrophen. Dabei wird der Zustand verschiedener Parameter überwacht, aufgezeichnet und ausgewertet.
Vor der Monitoring-Maßnahme sollten das Objekt und die Randbedingungen sorgfältig analysiert sowie Anforderungen und Ziele definiert werden, denn diese sind i. d. R. so unterschiedlich wie die zu beobachtenden Objekte. Darauf aufbauend sollten die weitere Vorgehensweise, eventuelle zusätzliche Maßnahmen beschlossen und ein individuelles Messkonzept erstellt werden.
Meist sind bereits Schadensbilder vorhanden, auf deren Grundlage und fundiertem Ingenieurswissen eine Hypothese zu den möglichen Ursachen sowie eine Vorhersage zum weiteren Schadensverlauf gestellt werden können. Werden diese durch entsprechende Messungen bestätigt, lassen sich geeignete Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Schäden einleiten. Treten hingegen neue und andere Schäden auf, muss die Situation erneut analysiert werden, ggf. müssen auch ergänzende Maßnahmen ergriffen und weitere Parameter messtechnisch erfasst werden.
Um problematische Ereignisse zeitnah erkennen zu können, ist in vielen Fällen und insbesondere beim Baustellen-Monitoring eine sofortige Analyse der erfassten Messdaten erforderlich, damit Warnmeldungen verzögerungsfrei weitergegeben werden können. Das setzt eine automatisierte Verarbeitung der Messdaten unter Einsatz vernetzter Sensoren, moderner Mess- und IT-Technik bis hin zum Online-Zugriff auf Messdaten und der automatischen Alarmierung per Smartphone voraus.
Was und wie wird erfasst?
Monitoring-Systeme bestehen meist aus geodätischen, geotechnischen und ggf. weiteren Sensoren, Software für die Verwaltung, Auswertung und Analyse der Messdaten, einem Mobilrechner sowie einem Daten- und Kommunikationsnetzwerk für die Übertragung von Daten und Nachrichten bei Grenzwertüberschreitungen. Messtechnisch erfasst werden, je nach Objekt, Verformungen, Bewegungen und Dehnungen, Temperaturen, Feuchtigkeit, Füllstände, Risse, Setzungen, Beschleunigungen, Drücke und Kräfte, Neigungswinkel, Erschütterungen, Schwingungen und andere Parameter.
Wie und mit welchen Messgeräten diese erfasst werden, hängt auch vom Messobjekt und den Randbedingungen ab. So kann für die Erfassung von Bewegungen in einem Fall ein Neigungssensor ausreichend sein, in einem anderen Fall können tachymetrische Messungen notwendig werden.
Zum Einsatz kommen deshalb auch herkömmliche Vermessungsgeräte wie Tachymeter und digitale Nivelliere, aber auch 3-D-Laserscanner oder GNSSEmpfänger (Globales Navigationssatellitensystem). Die Sensoren sollten zerstörungsfrei, präzise, schnell und ggf. berührungslos arbeiten. Zudem sollte die Messtechnik robust sein gegenüber Witterungseinflüssen, mechanischen oder elektrischen Einwirkungen. Auch die Ausfallssicherheit des Monitoringsystems sollte berücksichtigt werden, beispielsweise durch eine redundante Technik und eine Alarmierung bei Systemausfällen.
Die Monitoring-Software sollte eine kontinuierliche oder durch einen oder mehrere Sensorwerte ausgelöste Datenaufzeichnung ebenso wie die Auswertung von Messwerten in zeitlicher Abhängigkeit ermöglichen. Statistiken, eine Alarmierung bei einer Grenzwertüberschreitung, eine Online-Datenanalyse sowie die Ansteuerung und das Auslesen externer Geräte sollten ebenfalls möglich sein.
Da insbesondere auf Baustellen ein entsprechendes Equipment und Know-how i. d. R. nicht vorhanden sind, werden häufig Monitoring-Dienstleister beauftragt. Sie übernehmen neben der Konzeption des Monitoring-Systems auch die Planung und Konfiguration von Messanlagen sowie deren Installation vor Ort. Auch die Online-Anzeige der Messwerte, die Auswertung in Form von Diagrammen, die Auswertung und Interpretation der Daten sowie eine ausführliche Berichterstellung gehören zum Leistungsumfang. Bei der Analyse und Beurteilung der Messungen ist übrigens stets zu berücksichtigen, dass ebenso wie die Erde auch Bauwerke und deren Umfeld ständigen Bewegungen und Veränderungen unterliegen. Außerdem sind insbesondere bei geringen Anomalien tages- und jahreszeitlich bedingte Messwert-Schwankungen zu beachten. Hier schaffen nur längere Beobachtungszeiträume Gewissheit und belastbare Ergebnisse.
Echtzeit-Überwachung von Baustellen
Zu den komplexesten Aufgaben von Monitoring-Systemen zählt die Überwachung von Baustellen und deren Umfeld. Neben der Konzeption eines passenden Systems und der Positionierung von Mess-Sensoren an den entscheidenden Stellen sind zahlreiche Wechselwirkungen zwischen dem Bauprozess und dessen Überwachung, Normen und andere Vorgaben zu beachten.
Bei der Erstellung des Überwachungskonzepts müssen wichtige Fragen beantwortet werden:
- Was sind die Risiken?
- Welche Größen müssen gemessen werden?
- Wie genau, wie häufig und wie lange muss gemessen werden?
- Was sind die Grenzwerte und wer muss wie bei Überschreitungen alarmiert werden?
Auch bei der Ausschreibung von Monitoring-Leistungen ist darauf zu achten, dass diese wichtigen Angaben enthalten sind, damit man individuell zugeschnittene Angebote erhält. Wichtig ist, dass vor dem Baubeginn eine ausreichend lange Vorlaufzeit von zwei bis vier Wochen bleibt, die eine Untersuchung des natürlichen Baugrund- und Bauwerksverhaltens durch das Monitoring-Unternehmen ermöglicht. Daraus lassen sich eventuelle Anpassungen des Überwachungskonzepts, der Messintervalle oder der Messwerte etc. ableiten. Eine besondere Beachtung erfordert auch das Auswertungs- und Alarmierungskonzept, denn ein Standard-Monitoring mit periodischer Überwachung genügt den komplexen Anforderungen meist nicht.
Die Datenauswertung- und -archivierung sollte deshalb über ein zentrales Computersystem erfolgen, und alle Messdaten und aufbereiteten Informationen sollten über eine Webadresse online quasi in Echtzeit allen Projektverantwortlichen zur Verfügung gestellt werden. Der eingehende Datenstrom sollte automatisch mithilfe smarter Alghorithmen laufend analysiert werden. Dieses „Web-Monitoring“ sollte die Analyse-Ergebnisse sowie die Einhaltung der definierten Grenzwerte transparent und in Echtzeit aufzeigen.
Zu jedem abgeschlossenen Monitoring-Projekt gehört schließlich ein transparenter und nachvollziehbarer Abschlussbericht, der alle gewonnenen Erfahrungen sammelt und auch viele Jahre später Rückschlüsse für künftige Projekte ermöglicht.
Neue Entwicklungen und Trends
Die Technisierung der Bauwerksüberwachung schreitet voran und erhält mit aktuellen Projekten neue Impulse – etwa mit dem Forschungsprojekt AISTEC der Bauhaus-Universität Weimar und weiteren Projektpartnern.
Das Projekt soll Technologien entwickeln, die in der Lage sind, Schäden an Brücken und anderen Bauwerken automatisch zu erkennen. Hochauflösende Kameras, montiert an ferngelenkten Drohnen, zeichnen auch kleine Risse im Beton auf und ermöglichen so eine softwareunterstützte Gebäudeprüfung.
Um das Bild zu vervollständigen, soll zusätzliche Sensorik entwickelt werden, die direkt am Bauwerk installiert wird und es permanent überwacht. Die so gesammelten Daten bilden die Grundlage für eine computergestützte Simulation des Tragverhaltens.
Die Visualisierung der Ergebnisse wird durch virtuelle Realitäten unterstützt, die eine Begutachtung durch Experten aus der Ferne ermöglichen. Durch die neuen Methoden soll der Zustand von Brücken und anderer Infrastruktur einfacher und häufiger überwacht werden können. Probleme sollen früher erkannt werden, sodass ein schnelles Eingreifen möglich wird. Durch die lückenlose Dokumentation soll die Grundlage für ein zukünftiges digitalisiertes Anlagenmanagement der Verkehrsinfrastruktur geschaffen werden.
Das im September 2018 begonnene Projekt soll im August 2021 abgeschlossen sein.
Fazit: Monitoring ersetzt keine Sanierung
Bauwerke und insbesondere Infrastrukturbauwerke werden aufgrund fehlender Mittel für Reparaturen, Sanierungen und Neubauten immer älter. Hinzu kommt die zunehmende Belastung durch Verkehr und Umwelteinflüsse.
Mit Überwachungssystemen können gefährdete Objekte heute rund um die Uhr beobachtet werden. Dank fortgeschrittener Sensor-, Mess- und IT-Technik lassen sich Messungen, die noch vor wenigen Jahren unwirtschaftlich waren, heute mit einem vertretbaren ökonomischem Aufwand an Kosten, Equipment und Personal realisieren. Dabei sollte man jedoch nie der Versuchung erliegen, das Bauwerksmonitoring als probates Hilfsmittel zu betrachten, mit dem sich längst notwendige Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen hinauszögern lassen.
Erst recht ist es kein Ersatz ist für die Herstellung von Standsicherheiten für Bauwerke. Ebenso problematisch ist der vorbeugende Einbau von Monitoring-Systemen, zumal im Vorfeld keine seriöse Vorhersage möglich ist, was man an welchen Stellen überhaupt überwachen sollte.
Sehr sinn- und wirkungsvoll ist dagegen das baubegleitende Monitoring, das Planern und ausführenden Unternehmen vor, während und nach einer Baumaßnahme Sicherheit gibt und Risiken minimiert. Stets beachtet werden sollte dabei, dass auch Monitoring-Systeme eines Monitorings bedürfen. Deshalb sollte das System in festgelegten Intervallen durch erfahrene Ingenieure seinerseits beobachtet und kontrolliert werden.