BAURECHT
Baugefährdung: Strafbarkeit des Bauleiters
Text: A. Paessler | Foto (Header): © beeboys – stock.adobe.com
Nahezu alle Landesbauordnungen schreiben obligatorisch die Bestellung eines Bauleiters bei nichtgenehmigungsfreien Baumaßnahmen vor. Der Bauleiter muss daher stets damit rechnen, von der Bauaufsichtsbehörde in die Verantwortung genommen zu werden, wenn er seine Aufgabe nicht oder nicht ordnungsgemäß ausübt.
Auszug aus:
Der Bauleiter
Ausgabe Februar 2019
Jetzt Leser werden
INHALTE DES BEITRAGS
Nach der Baustellenverordnung (BauStellV) sind für Baustellen, auf denen Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber tätig werden, ein oder mehrere Koordinatoren vom Bauherrn zu bestellen. Der sogenannte SiGeKo hat im Rahmen der in § 3 BauStellV genannten Aufgaben den Bauherrn und die sonstigen am Bau Beteiligten bei dem Sicherheits- und Gesundheitsschutz zu unterstützen, wobei primär Verantwortlicher stets der Bauherr selber bleibt (so u. a. BGH, Urteil vom 13.11.2008 – 4 StR 252/08 = IBR 2009,118). Ungeachtet dessen gehören, trotz vielfacher Sicherheitsvorschriften, insbesondere auch der Berufsgenossenschaften, Unfälle auf Baustellen, in zu errichtenden Gebäuden oder auch im Umfeld einer Baustelle zu nahezu alltäglich wiederkehrenden Ereignissen. Dies nicht nur mit Folgen leichter bis schwerer Körperverletzungen, sondern u. U. auch mit lang anhaltenden oder gar irreparabler körperlicher Schäden für die von einem solchen Ereignis Betroffenen, wie z. B. einer Querschnittslähmung. In einigen Fällen auch mit tragischer Todesfolge. So beispielsweise in der Folge des Einsturzes von Gerüsten oder dem Sturz in einen ungesicherten Schacht. So z. B. in der Folge des Abrutschens von Bodenmaterial in zu steil hergestellte oder nicht ausreichend gesicherte Wände in der Baugrube, des Einsturzes eines Gerüsts, des Herabfallens von Bauteilen etc. Sind die aus solchen Ereignissen für die Betroffenen und deren Angehörigen sich ergebenden Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche in gesetzlichen Bestimmungen, wie insbesondere in der Bestimmung des § 823 BGB und der hierzu ergangenen Rechtsprechung weitgehend geregelt, so stellt sich regelmäßig, insbesondere bei schweren Körperverletzungen und zwangsläufig bei Unfällen mit Todesfolge die Frage, ob und ggf. welche Person(en) für das Zustandekommen des Unfallereignisses auch strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sind.
Hinweis
Das Strafrecht dient dem Schutz der grundlegenden Elemente des Gemeinschaftslebens. Aufgabe und Ziel des Strafrechts ist die Sicherung des Rechtsfriedens, die Verhinderung sozialschädlichen Verhaltens und die Gewährleistung der grundgesetzlich garantierten freien Entfaltung der Persönlichkeit. Die Strafe soll die Schuld des Täters ausgleichen und ihm die Möglichkeit zu Sühne geben. Sie soll die verletzte Rechtsordnung wahren und den Rechtsfrieden wiederherstellen. Das Strafrecht schützt damit nicht nur das Privateigentum, sondern u. a. auch Leib und Leben des Einzelnen. Gegen Personen, die diese wichtigen Rechtsgüter verletzen, kann der Staat Strafen (z. B. Haftstrafen, Geldbußen) verhängen.
Sonderdelikt der Baugefährdung
Vielfach unbekannt dürfte bei Planern, Ingenieuren, Bauleitern etc. nach wie vor die weitere, zum Schutz von Leib und Leben von Menschen durch das Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) bereits am 01.04.1998, als sogenanntes Sonderdelikt, in Kraft getretene Bestimmung des § 319 BGB sein. Diese trägt die Überschrift Baugefährdung und hat in den Absätzen 1 und 2 den folgenden Wortlaut:
- Wer bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Baues oder des Abbruchs eines Bauwerks gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
- Ebenso wird bestraft, wer in Ausübung eines Berufs oder Gewerbes bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Vorhabens, technische Einrichtungen in ein Bauwerk einzubauen oder eingebaute Einrichtungen dieser Art zu ändern (hat), gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet.
Nach dem Wortlaut stellt die gesetzliche Bestimmung ganz konkrete, im Verlauf eines Baugeschehens auftretende Gefährdungsdelikte unter Strafe. Für den Tatbestand der Baugefährdung, als Gefährdungsdelikt, ist es charakteristisch, dass für eine Strafbarkeit keine versuchte oder vollendete Körperverletzung oder sogar Tötung eines anderen Menschen vorliegen muss. Es reicht für die Verwirklichung des § 319 StGB aus, wenn durch den Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik eine konkrete Gefahr für Leib und Leben eines anderen Menschen verursacht worden ist. Ist es hingegen bereits zu einer Verletzung von Leib und Leben eines Menschen und nicht nur zu einer Gefährdung gekommen, so kommt die Bestimmung des § 319 StGB nach einer rechtskräftigen Entscheidung des OLG Zweibrücken, Beschluss vom 1. Februar 2016 – 1 OLG 1 Ss 76/15 –, juris, nicht mehr zur Anwendung. In dem vom OLG entschiedenen Fall, war der Angeklagte der Inhaber einer Firma, die im Bereich Sicherheitsnetzmontage und Dachsicherung tätig war. Am Tattag hatte er mit einem Mitarbeiter Sicherheitsnetze an der Decke einer Rundsporthalle befestigt. Hierzu hatte der Angeklagte eine von seinem Auftraggeber zur Verfügung gestellte Hubarbeitsbühne benutzt, obgleich ihm bekannt war, dass er die vor deren Inbetriebnahme vorgeschriebene Einweisung nicht erhalten hatte. Nachdem der Angeklagte und ein mit solchen Arbeiten noch unerfahrener Zeuge im Bereich der Hallenwand ein Ende eines Netzes an der Hallendecke befestigt hatten, hatte der Angeklagte ein Seil, an dem ein anderes Ende des Netzes befestigt war, an den Korb der Hebebühne angebunden. Dabei war es dem Angeklagten bekannt gewesen, dass ein Befestigen von Gegenständen an dem Korb zum Zwecke des Hinaufziehens verboten war. Der Angeklagte war daraufhin mit dem Zeugen in den Korb gestiegen und mit diesem auf eine Höhe von 5,30 m gefahren, wobei er das angebundene Netz mit nach oben beförderte. Aufgrund der durch das Gewicht des angebundenen Netzes auf das Gerät einwirkenden Horizontalkräfte war die Hebebühne daraufhin umgestürzt, was der Angeklagte hätte voraussehen können. Der Angeklagte und der Zeuge waren aus dem Standkorb geschleudert worden und auf den Hallenboden aufgeprallt, wobei sich der Zeuge schwere Verletzungen zugezogen hatte.
Zur Strafbarkeit nach § 319 StGB hat das Gericht ausgeführt, das der Schuldspruch aus erster Instanz der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht standhalte, soweit der Angeklagte – tateinheitlich mit fahrlässiger Körperverletzung – auch wegen fahrlässiger Baugefährdung verurteilt worden sei. Die fahrlässig begangene Baugefährdung nach § 319 Abs. 4 StGB trete jedenfalls dann hinter die fahrlässige Körperverletzung zurück, wenn sich die durch den Verstoß gegen Bausicherheitsvorschriften konkret geschaffene Gefahr bei den davon betroffenen Personen auch realisiert habe. Die Bestimmung des § 319 StGB diene dem Schutz gegen Gefahren, die Leben und Gesundheit von Menschen aus fehlerhaften, gegen die anerkannten Regeln der Bauzunft verstoßenden Tätigkeiten im Baugewerbe drohen (RGSt 25, 90, 92; 28, 318, 320; 39, 417, 418; Wolff in: LK-StGB, 12. Aufl. § 319 Rn. 2; Wieck-Noodt in: MünchKomm-StGB, 2. Aufl. § 319 Rn. 2; Fischer, StGB, 63. Aufl. § 319 Rn. 1). Als reines Gefährdungsdelikt sei die Vorschrift gegenüber den dasselbe Rechtsgut schützenden Verletzungsdelikten nachrangig. Dies gelte jedenfalls dann, wenn alle durch das Verhalten des Täters konkret gefährdeten Personen auch verletzt worden sind. Das tateinheitlich verwirklichte Vergehen der fahrlässigen Baugefährdung habe dann gegenüber dem (vollendeten) Erfolgsdelikt keinen eigenständigen Bedeutungsgehalt mehr. Konkret hat § 319 Abs. 1 StGB zur Voraussetzung, dass der Täter einen Bau oder den Abbruch eines Bauwerks plant, leitet oder ausführt. Bau ist danach jedes in das Gebiet des Baugewerbes fallende Unternehmen, also sowohl Hochbau wie Tiefbau, Wasserbau, Straßenbau.
Hierzu gehören auch vorbereitende Gewerke wie z. B. Ausschachtungen. Planen eines Baus meint dabei die konkreten Planungsarbeiten, die Grundlage des Baus werden sollen und Ursache späterer Gefährdung sein können, vor allem die Ausfertigung des Bauplans und der Bauzeichnungen sowie die statischen Berechnungen. Unter Leiten eines Baus versteht das Gesetz das tatsächliche Bestimmen der Einrichtung und des Bauablaufs, sodass die Anweisungen für die Bauausführung maßgeblich sind. Bauleiter ist daher insbesondere der Bauunternehmer oder dessen Beauftragter. Die Überwachung alleine reicht allerdings nicht aus, sodass ein überwachender Architekt nicht ohne Weiteres auch Bauleiter sein muss. Richtig ist dabei, dass die Vergabe von Einzelgewerken an Subunternehmer nicht die Bauleitung beseitigt (so Thomas Fischer, Strafgesetzbuch, 66. Aufl., 2019, § 319 Rn. 1–6). Die unter Strafe gestellte Handlung besteht darin, dass der Täter bei der Planungs- Leitungs- oder Ausführungstätigkeit gegen die für diese Tätigkeiten geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dieser Regelverstoß zu einer ganz konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen geführt hat. Die anerkannten Regeln der Technik müssen dabei als Konkretisierung von Sorgfaltsnormen bei vorgebildeten Praktikern allgemein bekannt und anerkannt sein, wobei technische Normen ein erhebliches Indiz für die allgemeine Anerkanntheit darstellen (Thomas Fischer, a. a. O. Rn. 10 f).
Auch die Nichteinhaltung von Unfallverhütungs- und Sicherheitsvorschriften legt die Vermutung einer Sorgfaltspflichtverletzung und damit der Fahrlässigkeit nahe (so Kehrberg, in: Motzke/Preussner/Kehrberg, Die Haftung des Architekten, 10. Aufl. 2015, Kapitel Q Haftung aus Gesetz, Rn. 71). Eine Strafbarkeit nach § 319 Abs. 1 und 2 StGB setzt voraus, dass der Täter vorsätzlich gehandelt hat. Auch hinsichtlich der Gefahr für Leib und Leben eines anderen Menschen ist Vorsatz beim Täter erforderlich. Das hohe, in der Verhängung von Freiheitsstrafen zum Ausdruck kommende Strafmaß kommt daher nur dann zur Anwendung, wenn der Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik vorsätzlich oder zumindest mit einem sogenannten bedingten Vorsatz erfolgt ist.
Wesentlich häufiger dürfte in der Praxis allerdings die fahrlässige Variante der Baugefährdung nach § 319 Abs. 3 und 4 StGB anzutreffen sein. In Abs. 3 ist eine Kombination aus vorsätzlichem Verstoß gegen die allgemeinen Regeln der Technik und einer nur fahrlässigen Herbeiführung einer Gefahr zu finden. Für eine Bestrafung nach § 319 Abs. 4 StGB ist es ausreichend, wenn der Täter sowohl fahrlässig gegen die anerkannten Regeln der Technik verstoßen hat als auch dadurch fahrlässig eine Gefahr für einen anderen Menschen verursacht hat. In diesen Fällen kann der Verantwortliche nach § 319 Abs. 2 und 3 StGB eventuell auch nur mit der Verhängung einer Geldstrafe rechnen.
Tipp
Der Bauleiter sollte den Bauherrn frühzeitig schriftlich auf mögliche zeitliche Probleme hinweisen, die eine inhaltlich ausreichende und sichere Überprüfung eines Nachtrags auslösen können. Dem Auftraggeber kann eventuell empfohlen werden, einen Nachtrag vorsorglich unter dem Vorbehalt der Prüfung hinsichtlich Grund und Höhe zu beauftragen, damit kein Bauverzug auftritt.
Rechtsprechung
Durch das bereits angeführte Urteil des BGH vom 13.11.2008 – Az. 4 StR 252/08 = IBR 2009, 18, hat der Bundesgerichtshof einen Bauunternehmer wegen Baugefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, nachdem bei dem Einsturz in einer Schule, im Zusammenhang mit Sanierungsarbeiten, fünf Arbeiter gestorben und fünf weitere Arbeiter zum Teil schwer verletzt worden waren. Zu dem Einsturz war es gekommen, weil bei einer tragenden Wand im Erdgeschoss die Abstützung unzureichend gewesen ist. In seinem Urteil hat das Gericht festgestellt, dass nach den Feststellungen des Landgerichts der Bauunternehmer die Hauptverantwortung für die Bausicherheit gehabt hat. Dabei habe er es auch noch am Unfalltag zugelassen, dass die Abbrucharbeiten fortgeführt wurden, obwohl er wusste, dass nur ein Drittel der vom Statiker vorgesehenen Stützen im Bereich der Abbruchwand aufgestellt waren, und obwohl er hätte erkennen können, dass der Unterzug nicht die erforderliche Tragfähigkeit aufwies. Hinsichtlich der Erfüllung von Prüfpflichten zur Vermeidung der Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen hat beispielhaft das Kammergericht Berlin auszugsweise Folgendes ausgeführt. Dabei war Gegenstand der Entscheidung des KG Berlin, Urteil vom 28.11.2008 – 7 U 231/07 – juris, zwar nicht die Strafbarkeit nach § 319 StGB, sondern die zivilrechtlichen Schadensersatzfolgen aus dem Umsturz eines Krans:
Soweit die Beklagte als eine mögliche Schadensursache die Untauglichkeit des Standortes des Krans behauptet, vermag sie das schon deshalb nicht zu entlasten, weil die Prüfung der Geeignetheit des Standplatzes und seiner Tragfähigkeit in ihren Verantwortungsbereich fiel (vgl. auch OLG München NJW-RR 1987, 854; TranspR 1996, 312/314; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.02.2008 – 18 U 58/07, juris, Rn. 31). Sie kann sich auch nicht damit entlasten, sie habe nach einem zuvor erstellten Abbruch- und Demontagekonzept gearbeitet. Eine etwaige Standortvorgabe stand ggf. unter dem selbstverständlichen Vorbehalt der Eignung des Ortes für den standsicheren Betrieb des Krans (in diesem Sinne auch OLG Frankfurt, a. a. O.). Außerdem handelte es sich bei dem Konzept zum einen … um ein von der Beklagten gerade hinsichtlich der Kranarbeiten jedenfalls mitentwickeltes Konzept. Zum anderen hätte sie einen ihr von der Generalauftraggeberin etwa vorgegebenen Standort prüfen und ggf. auf Bedenken zumindest hinweisen müssen. Sie konnte sich keineswegs ohne weiteres schlichtweg darauf verlassen, dass die „Prüfungsschemata“ der Generalauftraggeberin nach Feststellung des Kranstandortes alle potenziellen Gefahren durchgespielt und verworfen hätten … Die Dicke der Betonsohle und deren Fläche etwa, auf der sie ihren Kran aufstellte, konnte sie unschwer erfragen, wenn sie ihr nicht ohnehin schon aus einem ihr nach Darstellung der Klägerin am 02.05.2002 übergebenen Schnittplan hätte bekannt sein müssen; entsprechendes gilt hinsichtlich der sonstigen Beschaffenheit des Untergrundes. Anlass dazu hatte sie insbesondere dann, wenn es sich – wie sie behauptet – „geradezu aufdrängt, dass die Betonsohle unter dem Gewicht des ihrer Darstellung nach 500 Tonnen schweren Krans so nachgegeben haben kann, dass die vollständige Standfestigkeit des Krans während der Hubleistung nicht mehr gewährleistet war“ … Die Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens … vermag die Beklagte ebenfalls nicht zu entlasten. Abgesehen von den unterschiedlichen Beweisanforderungen setzt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 319 StGB – im Unterschied zur zivilrechtlichen Schadenshaftung – eine Gefährdung von „Leib oder Leben eines anderen Menschen voraus“, sodass aus einer Verfahrenseinstellung der Staatsanwaltschaft nicht auf eine fehlende zivilrechtliche Verantwortlichkeit geschlossen werden kann.
In diesem Zusammenhang sind auch folgende Entscheidungen von Bedeutung, die zwar nicht in Strafverfahren, sondern in zivilrechtlichen Schadensersatzprozessen verkündet worden sind, jedoch dazu geeignet sind nur beispielhaft ein Licht auf die mögliche Strafbarkeit von Pflichtverletzungen zu werfen. Nach einem Beschluss des OLG Karlsruhe vom 15.08.2002 – 2 Ss 262/00 = IBR 20023, 648, obliegen dem örtlichen Bauleiter umfassende Verkehrssicherungspflichten. Er hat zu überwachen, dass die Bauausführung den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und die Betriebssicherheit gewährleistet ist. Wird infolge von Baufehlern ein Mensch getötet oder verletzt, können Bauleiter und Unternehmer wegen fahrlässiger Tötung bzw. fahrlässiger Körperverletzung bestraft werden. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war die Rückwand des Wartestands einer Bushaltestelle eingestürzt. Da die vom Architekten vorgesehenen 24 cm dicken Mauersteine kurzfristig nicht lieferbar gewesen waren, hatte der Leiter des Bauhofs den Ortsbaumeister angewiesen, die Rückwand nicht als einseitige, sondern als zweischalige Wand aus zwei 11,5 cm dicken Wandscheiben hochzuziehen. An der Innenseite der Wand hatte der Leiter des Bauhofs hängende Sitzbänke angebracht. Als sich vier Personen auf den Sitzbänken niedergelassen hatten, war die Wand eingestürzt und die vier Personen verletzt worden. Weiterhin hat das OLG Rostock in einem Urteil vom 03.03.2009 – 5U 113/08 = IBR 2011, festgestellt, dass die Erstellung eines Baugerüsts unter Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften grob fahrlässig ist. Stürzt ein Arbeiter bei Benutzung eines solchen Gerüsts im Bereich einer mangelhaft gesicherten Stellung ab, so kommt ihm der Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit des Verstoßes gegen Unfallverhütungsvorschriften zugute. Und in einem Urteil vom 11.09.2002 – 8 U 29/02 = IBR 2004,143, hat das OLG Bamberg festgestellt, dass sich auch bei kleinen Deckenöffnungen zwischen einem Unter- und Erdgeschoss, im konkreten Fall von nur 1 m², nach der Baustellenverordnung und den berufsgenossenschaftlichen Vorschriften die Notwendigkeit für ausreichende Sicherungsvorkehrungen, hier durch eine ordnungsgemäße Abdeckung ergeben können. Nach einem Urteil des OLG Braunschweig vom 28.08.2014 – 8 U 179/12, gegen das der BGH mit Beschluss vom 22.10.2015 – VII ZR 312/14 keine Revision zugelassen hat = IBR 2016,149, dauert die Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers, und somit auch die eines eingeschalteten Bauleiters, so lange fort, bis ein anderer die Sicherung der Gefahrenquelle tatsächlich und ausreichend übernommen hat. Derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft über eine Gefahrenquelle habe, sei neben demjenigen verkehrssicherungspflichtig, der die Verkehrssicherungspflicht vertraglich übernommen habe. Die vorstehenden Beispiele zeigen auf, dass sowohl der Bauherr wie auch der Bauleiter und auch alle anderen am Baugeschehen Beteiligte nicht erst dann mit einer strafrechtlichen Verfolgung und mit ganz erheblichen Strafen rechnen müssen, wenn es bereits zu dem Erfolg der Verletzung von Leib und Gesundheit oder gar zu einer Tötung einer Person gekommen ist, sondern bereits dann, wenn sie durch ihr Verhalten, ein gezieltes, aktives Tun (Vorsatz) oder aber auch nur fahrlässig, insbesondere durch eine sorglose Verletzung von Sicherungspflichten, beispielsweise durch ein Unterlassen (z. B. das Nichtanbringen von Absperrungen oder Warnhinweisen, das Nichteinschreiten gegen Abweichungen vom Bauplan, fehlende Hinweise auf Bedenken, die Ausführung von Leistungen auf Anweisung, trotz bestehender Sicherheitsbedenken) konkrete Gefahren für Leib oder Leben eines anderen Menschen herbeigeführt und damit alleine einen Gefährdungstatbestand geschaffen haben.