ORGANISATION & KOMMUNIKATION

Trotz Ruhestand weiter aktiv im Arbeitsleben: Berufstätigkeit nach Renteneintrittsalter

Text: Thomas Schneider | Foto (Header): © Dragana Gordic – stock.adobe.com

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre erreichen in den nächsten Jahren das Ruhestandsalter. Treten ältere Mitarbeiter in den Ruhestand, gehen nicht nur diese Mitarbeiter, sondern auch deren Fachwissen und Erfahrung verloren. Die Weiterbeschäftigung im Rentenalter stellt eine interessante Option dar.

Auszug aus:

Informationsdienst Bauleitung
Ausgabe Dezember 2024
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Oft ergeben sich Probleme, vakante Stellen neu zu besetzen, wenn langjährige Mitarbeiter in den Ruhestand gehen. Doch eine über das Renteneintrittsalter bestehende Tätigkeit als Bauleitung und in leitenden Aufgaben kann interessant sein, da bei koordinierenden und führenden Positionen körperliche Belastungen weniger relevant als bei praktischen Bautätigkeiten sind.

Am einfachsten ist es sicherlich, eine Bauleitung oder eine Führungskraft über den offiziellen Ruhestandseintritt hinaus zu beschäftigten. Da die Zuverdienstgrenzen mittlerweile abgeschafft wurden, ist dies problemlos möglich. Ebenso kann aus Arbeitgebersicht gezielt nach Menschen gesucht werden, die dem Ruhestand näherkommen bzw. diesen bereits erreicht haben. Wird die Möglichkeit eingeräumt, über den Ruhestandseintritt hinaus tätig für das Unternehmen zu sein, kann ein Wechsel des Arbeitsplatzes auch in höherem Alter interessant für die Bewerber sein.

So eröffnet die Verlängerung der Berufstätigkeit um einige Jahre die Möglichkeit für die betreffenden Personen, bis zum Lebensende eine höhere Rente zu beziehen. Dabei kennen viele die Auswirkungen nicht, sind sich unsicher, ob eine weitere Berufstätigkeit lohnt, weshalb Arbeitgeber die Folgen kennen und aufzeigen sollten.

 

Arbeitsrechtliche Regelungen

Grundsätzlich gilt: Ein Arbeitsvertrag endet nicht automatisch mit Erreichen der Regelaltersgrenze. Zwar ist dies in den meisten Arbeitsverträgen (wie auch Tarifverträgen) so geregelt, allerdings kann das Arbeitsende (auch befristet) aufgeschoben werden (siehe § 41 SGB VI). Eine Befristung ist auch bei Ruheständlern nicht sachgrundlos möglich, sofern nicht bereits vorher ein entsprechendes Arbeitsverhältnis bestand. Bei Neueinstellungen ist, wie allgemein üblich, eine sachgrundlose Befristung maximal für zwei Jahren möglich.

Sachgründe für eine Befristung finden sich bei Rentnern häufig, gerade wenn es beispielsweise um die Vertretung eines abwesenden Mitarbeiters in Hochphasen geht oder aber um die Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters. Ausschließlich auf Rentner bezogene Gründe bestehen nicht.

 

Also einfach weiterarbeiten?

Jeder Mensch darf so lange arbeiten wie er möchte, auch über den Zeitpunkt des Eintritts in das Rentenalter hinaus. Ein Arbeitsvertrag kann unverändert weiterlaufen. Zu beachten ist, dass der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ab Erreichen der Regelaltersgrenze für den Arbeitnehmer entfällt. Ebenso kann ein neuer Vertrag abgeschlossen werden, der andere Aufgaben, Arbeitszeiten und Entlohnungen vorsieht.

Die Hinzuverdienstgrenze wurde 2023 abgeschafft, womit der Übergang vom Erwerbsleben in die Rente deutlich flexibler gestaltbar ist. Dies gilt auch bei Bezug der vorgezogenen Altersrente; da viele Betroffene seit Beginn ihrer Ausbildung ununterbrochen berufstätig waren, können sie diese Möglichkeit nutzen. Allerdings kann dem Satz „Rente mit 63“ nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Vielmehr erhöht sich das Alter mit dem weiter ansteigenden Regelalter.

Betroffene können zwischen drei Optionen wählen, und sich somit für ein Modell der Weiterbeschäftigung im Ruhestand entscheiden:

  • Arbeitslohn und Verzicht auf Rentenbezug
  • Rentenbezug und Arbeitslohn sowie
  • Rentenbezug, Arbeitslohn und weitere Einzahlung in die Rentenversicherung.

Für jeden Monat zusätzliche Arbeit ohne Rentenbezug erwirbt der Mitarbeiter eine um 0,5 % höhere Rente, wenn seine Lohnhöhe unverändert bleibt. Womit sich bereits bei einem Jahr weiterer Arbeit eine Steigerung von 6 % über die gesamte Bezugsdauer ergibt. Zahlen Betroffene weiter in die Rentenversicherung ein, erwerben sie bei einem Durchschnittseinkommen einen Rentenpunkt, der die zukünftige monatliche Rente um 39 € steigert. Einzahlungen sind bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze möglich.

Besteht die Möglichkeit der vorgezogenen Altersgrenze nach 45 Beitragsjahren, sollte aber diese in jedem Fall genutzt werden, bei weiteren Einzahlungen in die Rentenversicherung ändert sich die Bezugshöhe nur minimal, für den Zeitraum von Renten- und Entgeltbezug kann zweifach Einkommen bezogen werden.

 

Aspekte der Sozialversicherung beachten

Das Flexirenten-Gesetz legt fest, dass die Sozialversicherungsbeiträge weitgehend unverändert zu entrichten sind. Im Folgenden werden die Sätze für 2024 angegeben.

  • 18,6 % für die gesetzliche Rentenversicherung: Diese werden von Arbeitgeber und Arbeitnehmer voll entrichtet, wirken allerdings rentensteigernd. Diese Beträge entfallen beim Erreichen des regulären Rentenalters.
  • 2,6 % für die Arbeitslosenversicherung: Der Arbeitgeber muss seinen Anteil bezahlen. Der Rentner zahlt nicht, erwirbt auch keine Ansprüche.
  • 14,6 % für die gesetzliche Krankenversicherung werden von Arbeitgeber und Arbeitnehmer voll bezahlt, ebenso der Zusatzbeitragssatz, der durchschnittlich 1,7 % beträgt. Gleiches gilt für die 3,4 % für die gesetzliche Pflegeversicherung (ohne Kinderlosenzuschlag von 0,6 %).

Die Beitragsbemessungsgrenzen bleiben bestehen, wobei diese Werte selten von Bauleitern überschritten werden.

 

Wie sieht die Versteuerung aus?

Wie für jeden Erwerbstätigen gilt: Die Einkommensbesteuerung greift, wenn das zu versteuernde Einkommen den Grundfreibetrag von 11.604 € übersteigt. Die Rente ist nicht vollständig einzubeziehen. Seit Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung der Rentenzahlung erhöht sich der steuerpflichtige Anteil, 2024 sind dies 84 %. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Renteneintritts. Dabei wird der sog. Rentenfreibetrag ermittelt, welcher sich im weiteren Verlauf nicht mehr ändert, womit Rentenerhöhungen ebenfalls voll steuerpflichtig sind.

Ein „Eckrentner“, der 45 Jahre durchschnittliche Beiträge geleistet hat, bezog 2023 jährlich 20.304 €. Bei einem Renteneintritt 2024 sind davon 84 % steuerpflichtig, somit 17.055 €. Der Rentenfreibetrag entspricht dem Grundfreibetrag. Erhöht sich die Rente im Jahr 2024 beispielsweise auf 21.000 €, ist die volle Rentensteigerung steuerpflichtig.

Zu beachten ist hierbei allerdings, dass die Rentenzahlung noch um die (anteilig) zu zahlenden Beiträge zur Sozialversicherung, etwaige weitere Freibeträge (z. B. einen möglichen Behindertenpauschbetrag) sowie ggf. außergewöhnliche Belastungen und Sonderausgaben zu kürzen ist. Bei den gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträgen inklusive des individuellen Zusatzbeitrags übernimmt die Rentenversicherung den hälftigen Anteil. Den Pflegeversicherungsbeitrag zahlt der Rentner allein, dieser mindert die steuerliche Bemessungsgrundlage.

Wird in gleichem Umfang weitergearbeitet, erhöht sich die relative Steuerlast aufgrund des progressiven Steuertarifs. Eine genaue Angabe ist an dieser Stelle nicht möglich. Da der Betrieb die Einkommensteuer auf Basis des Verdienstes ermittelt und an das Finanzamt weiterleitet, sollte sich ein Rentner über zu erwartende Gesamtbelastung informieren. In Absprache mit dem Finanzamt können unterjährige Abschläge entrichtet werden.

Weiterhin zu beachten ist die mögliche gemeinsame steuerliche Veranlagung mit einem Ehepartner. Je nachdem, zu welche, Zeitpunkt dieser in den Ruhestand eintritt, ändert sich die gesamte Steuerlast, meistes wird diese reduziert.

 

Mini-Job als Möglichkeit

Eine alternative Möglichkeit der Weiterbeschäftigung im Ruhestand ist die geringfügige Beschäftigung (sog. Mini-Job). Wenn das Arbeitsentgelt regelmäßig nicht mehr als 538 € im Monat beträgt, fallen darauf i. d. R. keine Steuer sowie keine Sozialversicherungsabgaben für den Arbeitnehmer an. Der Arbeitgeber übernimmt die Steuerzahlung in Form einer 2 %igen pauschalen Lohnsteuer. Die pauschalen Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers betragen ca. 29 %. Das Gesamteinkommen darf im Jahr die 6.456-€-Grenze i. d. R. nicht überschreiten, ein unvorhergesehenes Überschreiten kann im geringen Rahmen unschädlich sein, hier kommt es aber auf den Einzelfall an.

 

(Schein-)Selbstständigkeit?

Eine Bauleitung oder ein führender Mitarbeiter kann seine Leistungen nach Beschäftigungsende zudem als Selbstständiger anbieten. Dazu ist die Anmeldung eines Gewerbebetriebs erforderlich. Sicherlich kann er dadurch auch für seinen bisherigen Arbeitgeber Leistungen erbringen. Ist dies allerdings sein einziger oder größter Kunde, kann unter Umständen eine Scheinselbstständigkeit vorliegen. Für beide Seiten können sich daraus beachtliche Nachzahlungen für die Sozialversicherung ergeben. Deshalb sollte vorab ein sog. Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung eingeleitet werden.

Der Autor

Thomas Schneider ist Diplom-Kaufmann und Mitverfasser des Buches „Berufliche Perspektiven im Rentenalter“.

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