Baurecht

Verweigerung der Abnahme: Ist die Schlussrechnung trotzdem fällig?

Text: Prof. Thomas Karczewski | Foto (Header): © Peter Atkins – stock.adobe.com

Die Fälligkeit der Schlussrechnung erfordert einige Voraussetzungen. Eine von ihnen ist nach § 650g Abs. 4 BGB die Abnahme. Entsprechendes gilt für den VOB-Vertrag. Damit stellt sich die Frage, ob der Besteller durch die Verweigerung der Abnahme des Werks die Fälligkeit der Vergütung des Unternehmers verhindern kann. Der folgende Beitrag geht auf Formen der Abnahme, deren Rechtsfolgen sowie die unberechtigte Abnahmeverweigerung ein.

Auszug aus:

Informationsdienst Bauleitung
Ausgabe September 2024
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Die Fälligkeit der Schlussrechnung erfordert einige Voraussetzungen. Eine von ihnen ist nach § 650g Abs. 4 BGB die Abnahme. Entsprechendes gilt für den VOB-Vertrag. Damit stellt sich die Frage, ob der Besteller durch die Verweigerung der Abnahme des Werks die Fälligkeit der Vergütung des Unternehmers verhindern kann. Der folgende Beitrag geht auf Formen der Abnahme, deren Rechtsfolgen sowie die unberechtigte Abnahmeverweigerung ein.

Dass ein ordnungsgemäßes Aufmaß beim Einheitspreisvertrag eine Voraussetzung für die Fälligkeit der Schlussrechnung ist, lasen Sie in der April-Ausgabe 2024 des Informationsdienstes („Fokuspunkt Aufmaß: Das ‚A und O‘ bei der Abrechnung des Einheitspreisvertrags“, S. 17–19).

Bedeutung und Begriff der Abnahme

Der Käufer einer Sache kann i. d. R. schon vor Vertragsabschluss prüfen, ob die ausgewählte Ware seinen Vorstellungen entspricht. Beim Bauvertrag ist dies nicht möglich, weil das Bauwerk erst nach Vertragsabschluss vom Unternehmer hergestellt wird. Der Besteller/AG kann also erst nach Fertigstellung des Bauwerks beurteilen, ob es den Absprachen mit dem Unternehmer/AN entspricht. Dieser Möglichkeit der Überprüfung dient die Abnahme.

Sie ist zweigliedrig und besteht aus der körperlichen Entgegennahme des Werkes durch den AG, verbunden mit seiner Erklärung, dass er das Werk als in der Hauptsache vertragsgerecht erbracht anerkennt. Das ist eine rechtsgeschäftsähnliche Erklärung, auf die teilweise die Vorschriften über die Rechtsgeschäfte Anwendung finden, so z. B. die Vorschriften über die Stellvertretung. Für die Abnahme reicht die einseitige Erklärung des AG aus, die dem Unternehmer zugehen muss.

Erforderlich ist dafür ein Verhalten des AG, aus dem der Unternehmer entnehmen soll und kann, dass der AG sein Werk billigt. Nach dem Gesetz sowie auch nach der VOB/B kann die Abnahmeerklärung aber auch fingiert werden. Die Geltung der Regeln der VOB/B muss zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden.

Formen der rechtsgeschäftlichen Abnahme

Die Abnahmeerklärung kann ausdrücklich oder konkludent, also durch schlüssiges Verhalten des AG erfolgen. Formen der rechtsgeschäftlichen Abnahme sind im BGB nicht geregelt. Dafür enthält § 12 VOB/B verschiedene Regelungen über die Abnahmeformen.

Ausdrückliche Abnahme
Für die ausdrücklich erklärte Abnahme nach § 12 Abs. 1 VOB/B ist keine bestimmte Form vorgesehen. Sie kann mündlich, schriftlich oder mittels Textform (durch E-Mail) erklärt werden.

Förmliche Abnahme
Eine besondere Art der ausdrücklichen Abnahme ist die förmliche Abnahme nach § 12 Abs. 4 VOB/B. Sie kann bei wirksamer Vereinbarung der VOB/B von einer Vertragspartei verlangt werden, vom AG aber nur solange die Voraussetzungen der fiktiven Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B nicht erfüllt sind, und ist die gemeinsame Überprüfung der Bauleistung unter Protokollierung der Feststellungen. Das Protokoll enthält Datum und Unterschrift der Vertragsparteien, von der jede Partei eine Ausfertigung erhält. Die Durchführung der förmlichen Abnahme in Abwesenheit des AN ist möglich und in § 12 Abs. 4 Nr. 2 VOB/B geregelt.

Konkludente Abnahme
Bei der konkludenten Abnahme erklärt der AG die Abnahme nicht ausdrücklich. Er bringt vielmehr durch sein Verhalten zum Ausdruck, dass er die Werkleistung als im Wesentlichen vertragsgerecht anerkennt. Das setzt allerdings voraus, dass eine Überprüfung der Leistung durch den AG möglich ist.

Ein solches Verhalten, aus dem die Billigung der Werkleistung als im Wesentlichen vertragsgerecht angenommen werden kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und kann z. B.

  • in der vorbehaltlosen Zahlung der Schlussrechnung,
  • in der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme der Bauleistung,
  • mit dem Bezug des Gebäudes,
  • mit der Übergabe der Schlüssel an den Bauherrn nach Besichtigung,
  • in der rügelosen Benutzung über einen längeren Zeitraum von sechs bis acht Wochen oder
  • in der Auszahlung des Sicherheitseinbehalts bestehen.

Vergessen die Vertragsparteien, eine vereinbarte förmliche Abnahme vorzunehmen, kann diese durch eine konkludente Abnahme erfolgen.

Auch ein Verzicht auf die förmliche Abnahme ist durch schlüssiges Verhalten möglich, wobei an den Verzichtswillen hohe Anforderungen zu stellen sind. Ein Verzicht auf die förmliche Abnahme scheidet z. B. aus, wenn diese vereinbart ist und die Unterschrift unter das Protokoll wegen Mängel mehrfach verweigert wird.

Teilabnahme
Eine Teilabnahme ist nach § 641 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehen, setzt aber eine vertragliche Vereinbarung voraus. Die VOB/B sieht hingegen in § 12 Abs. 2 VOB/B für in sich abgeschlossene Teile (funktional begrenzte, komplette Gewerke) der Leistung eine Abnahme vor, die der AN verlangen kann.

Rechtsfolgen der Abnahme

Warum sollte der AG die Abnahme verweigern (wollen)? Das liegt an den Rechtsfolgen der Abnahme, die für den Unternehmer durchweg vorteilhaft sind und sich keineswegs in der Fälligkeit der Schlussrechnung erschöpfen. Im Folgenden wird auf einige wichtige Rechtsfolgen eingegangen.

Übergang der Leistungs- und Vergütungsgefahr
Mit der Leistungsgefahr wird beschrieben, wer das Risiko der zufälligen Verschlechterung oder Beschädigung der Werkleistung während des Herstellungsprozesses vor der Abnahme trägt. Gemäß §§ 631, 633 Abs. 1 BGB trägt der Unternehmer vor der Abnahme die Gefahr, dass er trotz zerstörter oder beschädigter Leistung zur Neuherstellung des Werkes verpflichtet ist, wenn die Zerstörung/Beschädigung nicht durch den AG, sondern durch einen (unbekannten) Dritten verursacht wurde. Diese Gefahr geht erst mit der Abnahme auf den AG über.

Die Vergütungsgefahr fragt danach, ob der Unternehmer eine Vergütung für die vergeblich erbrachte Leistung beanspruchen kann, weil das Werk vor der Abnahme durch einen nicht vom AG zu verantwortenden Umstand beschädigt wird. § 644 Abs. 1 Satz 1 BGB regelt, dass der Unternehmer in diesem Fall bis zur Abnahme keine Vergütung erhält.

Anders verhält es sich nach § 645 Abs. 1 BGB, wenn das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des vom Besteller gelieferten Stoffes oder infolge einer vom Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden ist, ohne dass ein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten hat. Dann kann der Unternehmer einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz nicht inbegriffener Auslagen verlangen.

Bei wirksamer Vereinbarung der VOB/B sieht § 7 Abs. 1 VOB/B hingegen vor, dass der Unternehmer für die ausgeführten Teile der Leistung Ansprüche nach § 6 Abs. 5 VOB/B geltend machen kann, wenn die ganz oder teilweise ausgeführte Leistung vor der Abnahme durch höhere Gewalt, Krieg, Aufruhr oder andere objektiv unabwendbare, vom AN nicht zu vertretende Umstände beschädigt oder zerstört wird.

Verlust von Rechten bei fehlendem Vorbehalt
Bestimmte Rechte kann der AG nur geltend machen, wenn er sich diese bei Abnahme vorbehalten hat. Dabei handelt es sich um:

  • Vertragsstrafe § 341 Abs. 3 BGB, § 11 Abs. 4 VOB/B sowie
  • Nacherfüllungs-, Selbstbeseitigungs-, Minderungrecht, bei Kenntnis, § 640 Abs. 3 BGB, § 12 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B

Beginn der Gewährleistungsfrist
Mit der Abnahme beginnt gem. § 634a Abs. 2 BGB die fünfjährige Gewährleistungsfrist für Bauwerksarbeiten und nach § 13 Abs. 4 Nr. 3 VOB/B die vierjährige Verjährungsfrist des § 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B.

Fälligkeit der Schlussrechnungsforderung
Für die Fälligkeit der Schlussrechnungsforderung ist die Prüffähigkeit der Rechnung, aber auch die Abnahme Voraussetzung, § 650g Abs. 4 BGB. Entsprechendes gilt für den VOB-Vertrag.

Anspruch auf Abnahme

Aufgrund der gravierenden Rechtsfolgen der Abnahme ist der AG gem. § 640 Abs. 1 Satz 1 1. Hbs. BGB verpflichtet, das vertragsgemäß hergestellte Werk abzunehmen.

Mit dieser Pflicht des AG korrespondiert der Anspruch des Unternehmers auf Abnahme, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Fertigstellung
Solange das Bauvorhaben nicht (vollständig) fertiggestellt ist, kann der AG die Abnahme verweigern. Ganz unwesentliche Restarbeiten stehen der Abnahme hingegen nicht entgegen.

Schuldet der Unternehmer die Überlassung von Dokumentationsunterlagen, ist der AG bei fehlenden Unterlagen zur Abnahmeverweigerung ebenfalls berechtigt. Dies kann bei fehlender, aber erforderlicher Dokumentation für die Erstellung einer Heizungsanlage8 , bei fehlenden Konstruktionsunterlagen, Revisionsplänen und Bestandsaufnahmen9 und bei fehlender Dokumentation, die für den Betrieb oder die Erhaltung10 bedeutsam ist, zutreffen.

Keine wesentlichen Mängel
Gemäß § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB kann die Abnahme nicht wegen unwesentlicher Mängel verweigert werden, woraus sich ergibt, dass der AG die Abnahme nur wegen wesentlicher Mängel verweigern kann, wie es in § 12 Abs. 3 VOB/B formuliert ist.

Unwesentlich ist nach der Rechtsprechung des BGH11 ein Mangel, wenn er an Bedeutung so weit zurücktritt, dass es unter Abwägung der beiderseitigen Interessen für den AG zumutbar ist, eine zügige Abwicklung des gesamten Vertragsverhältnisses nicht länger aufzuhalten und deshalb nicht mehr auf den Vorteilen zu bestehen, die sich ihm bei von verweigerter Abnahme bieten.

Als wesentlich beurteilt die Rechtsprechung einen Mangel, wenn die Funktionalität des Werkes fühlbar beeinträchtigt ist , sowie Mängel, die zur Gefährdung der Sicherheit von Leib und Leben von Personen bei der Nutzung des Bauwerks führen.

Auch die Höhe des Mängelbeseitigungsaufwands im Verhältnis zur Vergütung ist ein wichtiges Indiz für einen wesentlichen Mangel. Eine größere Anzahl für sich betrachtet unwesentlicher Mängel, kann in ihrer Summe jedoch wesentlich sein.

Unberechtigte Abnahmeverweigerung

Doch welche Möglichkeiten hat der Unternehmer, wenn der AG die Abnahme unberechtigt verweigert; das Werk ist fertiggestellt und weist, wenn überhaupt, nur unwesentliche Mängel auf.

Der Unternehmer kann seinen Anspruch auf Abnahme gerichtlich durchsetzen. Dabei wird der Antrag gestellt, dass das Gericht feststellt, dass die Abnahmewirkungen zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetreten sind.

Der Unternehmer kann trotz fehlender erklärter Abnahme auch direkt auf Zahlung der Schlussrechnungsforderung klagen. Im Rahmen der Zahlungsklage stellt das Gericht dann fest, dass die Abnahme vom AG unberechtigt verweigert wurde, sodass der Werklohn fällig wurde.

Durch die Baurechtsreform zum 01.01.2018 hat der Gesetzgeber dem Unternehmer im Falle der unberechtigten Abnahmeverweigerung noch das Instrument der Zustandsfeststellung gem. § 650g Abs. 1 bis 3 BGB an die Hand gegeben. Danach kann der Unternehmer vom AG die Mitwirkung an einer gemeinsamen Feststellung des Werkes verlangen. Der Gesetzgeber unternimmt dadurch den Versuch, die Vertragsparteien im Rahmen der Zustandsfeststellung zu einer Einigung über die Abnahme zu bringen.

Wie bei der förmlichen Abnahme soll darüber ein Protokoll geführt werden, das von den Vertragsparteien unterzeichnet wird. Erscheint der AG zu dem vereinbarten Termin der Zustandsfeststellung schuldhaft nicht, kann der Unternehmer den Zustand einseitig feststellen und protokollieren. Das Protokoll hat er an den AG zu versenden. Mit diesem Protokoll kann er im Rahmen einer Feststellungsklage Beweis dafür legen, dass zum Zeitpunkt seiner Feststellung keine wesentlichen Mängel vorhanden waren, sodass das angerufene Gericht den Feststellungsantrag auf Eintritt der Abnahmewirkungen stattgibt.

Ohne die Abnahme wird die Werklohnforderung des Unternehmers auch fällig, wenn sich der Vertrag in einem Abrechnungsverhältnis befindet. Dies wird angenommen, wenn der AG wegen Mängeln nur noch Schadensersatz, aber keine Erfüllung mehr verlangen kann, vom Vertrag zurücktritt oder Minderung geltend macht. Voraussetzung dafür ist, dass der AG den Unternehmer unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert hat und diese Frist fruchtlos verstrichen ist. Außerdem muss der Unternehmer dem AG das Werk zur Abnahme angeboten haben. In diesem Fall wird die Werklohnforderung des Unternehmers fällig und kann gegenüber den auf Geld gerichteten Mängelansprüchen aufgerechnet werden.

Fazit

Der Unternehmer hat bei einem fertiggestellten Bauwerk ohne wesentliche Mängel gegen den AG einen Anspruch auf Abnahme, § 640 Abs. 1, Satz 1 BGB. Die bedeutenden Rechtsfolgen der Abnahme zugunsten des Unternehmers kann der AG nicht durch eine unberechtigte Abnahmeverweigerung verhindern. Der Unternehmer kann seinen Anspruch gerichtlich durchsetzen.

Zudem kann der Unternehmer versuchen, die Abnahme durch Fristsetzung über eine Fiktion herbeizuführen:

Bei einem VOB-Vertrag gilt nach § 12 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B die Leistung des AN ohne Abnahmeerklärung mit Ablauf von zwölf Werktagen nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung der Leistung als abgenommen, wenn keine Abnahme verlangt wird.

§ 12 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B bestimmt, dass die Abnahme nach Ablauf von sechs Werktagen nach Beginn der Benutzung als erfolgt gilt, wenn keine Abnahme verlangt wird und der AG die Leistung oder einen Teil der Leistung in Benutzung genommen hat.

Gemäß § 640 Abs. 2 Satz 1 BGB gilt das Werk als abgenommen, wenn der Unternehmer dem AG nach Fertigstellung des Werkes eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der AG die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Ist der AG ein Verbraucher, so tritt die Rechtsfolge des Satzes 1 nur dann ein, wenn der Unternehmer den AG zusammen mit der Aufforderung zur Abnahme auch auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme in Textform hingewiesen hat. Diese Regelung gilt auch für den VOB-Vertrag.

Der Autor

Prof. Thomas Karczewski ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in der Anwaltskanzlei Rembert Rechtsanwälte in Hamburg. Zudem ist er u. a. als Lehrbeauftragter, Referent und Autor tätig.

www.rembert-rechtsanwaelte.de

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